Künstliche Intelligenz (KI) in der Bürgerbeteiligung: Heisse Luft oder Mehrwert?

Die Fortschritte in der künstlichen Intelligenz eröffnen neue Wege, den Dialog zwischen den Behörden und ihren Anspruchsgruppen zu verbessern. Allerdings bringen KI-Anwendungen auch neue Herausforderungen mit sich. Es ist an der Zeit, einen Blick in die Gegenwart und die Zukunft zu werfen.

Herausforderungen der Partizipation angehen

Für Behörden und Organisationen stellt sich oft die Frage, wie sie ihre Stakeholder einbinden können. Wie erreichen wir unsere Zielgruppen? Wie werten wir die Vielzahl der Rückmeldungen effizient aus, um relevante Erkenntnisse zu gewinnen? Bei der Betrachtung des Potenzials von KI im Bereich der Partizipation und Mitwirkung ist es sinnvoll, die Anwendungsbereiche anhand der aktuellen Herausforderungen zu prüfen.

Chancen für die Mitwirkungsteilnehmende

Eine erfolgreiche Partizipation erfordert eine vorgelagerte Projekt-Information. Stakeholder müssen zunächst verstehen, worum es bei einem bestimmten Vorhaben geht, bevor sie ihre Meinung äussern können. Oft fehlt jedoch bei den Vorhaben eine klare Informationsgrundlage oder die Inhalte sind zu komplex und nicht zielgruppengerecht formuliert. Hier kann KI helfen, die Informationsbereitstellung effizienter und verständlicher zu gestalten. Behörden können beispielsweise mithilfe von ChatGPT verständlichere Projekt-Informationen bereitstellen und den Informationsprozess dialogorientiert gestalten, etwa über einen Chatbot. Auf diese Weise erhalten die Stakeholder konkrete Antworten auf ihre Fragen, ohne sich aufwändig über das Projekt informieren zu müssen.

Vermeidung von Mehrfacheingaben

Insbesondere bei informellen Partizipationsprozessen werden oft Ideensammlungen durchgeführt. Dabei besteht die Gefahr, dass dieselben Themen mehrmals erfasst werden, was den Partizipationsprozess erschwert. Dank KI kann während der Eingabe von Ideen überprüft werden, ob bereits ähnliche Ideen vorhanden sind und eine Verknüpfung herstellen. Dies reduziert Mehrfacheingaben, was den Dialogprozess übersichtlicher und strukturierter gestaltet.

Effizientere Auswertung

Der offensichtlichste Vorteil von KI liegt in der effizienteren Auswertung von Rückmeldungen und Stellungnahmen. Eine Gemeinde kann beispielsweise mithilfe von KI-Unterstützung Rückmeldungen automatisiert nach Themengebieten clustern und schneller einen Überblick den relevanten Argumenten, Chancen und Risiken erhalten. Unstrukturierte Stellungnahmen, beispielsweise in Briefform, können automatisiert aufgeteilt und nach Thema oder Kapitel strukturiert werden. Während die inhaltliche Auseinandersetzung weiterhin menschlicher Intelligenz bedarf, kann KI eine effiziente Vorarbeit für die menschliche Auswertung leisten.

Chancen und Risiken im Überblick

Die oben genannten Einsatzbereiche zeigen klare Chancen auf. Partizipationsprozesse können verständlicher und strukturierter geführt werden, was die Niederschwelligkeit eines Beteiligungsprozesses erhöht. Dadurch können im besten Fall neue Anspruchsgruppen erreicht werden, die bisher schwierig für partizipative Prozesse abzuholen waren.

Wie immer bei Technologien gibt es auch Risiken, die beim Einsatz der E-Partizipation zu berücksichtigen sind. Dazu zählen insbesondere folgende Herausforderungen:

  • Datenschutz: Im Rahmen von Mitwirkungsprozessen werden oftmals personenbezogene Daten oder sogar besonders schützenswerte Daten erfasst und übermittelt. Der Einsatz von KI-Technologien muss somit unter strengen Berücksichtigung der Datenschutzanforderungen erfolgen. Da aktuell die Verarbeitung über Anbieter der USA erfolgt und die Bearbeitung von schützenswerten Daten oftmals nicht abschliessend geklärt ist, wird der Nutzen von KI zurzeit oftmals eingeschränkt.
  • Falschinterpretationen: Durch eine teilautomatisierte Auswertung können falsche Schlussfolgerungen entstehen. Werden diese nicht kritisch geprüft, können Projekte entgegen den ursprünglichen Stellungnahmen entwickelt werden.
  • KI-generierte Stellungnahmen: Mit künstlicher Intelligenz wird es einfacher, den Mensch zu imitieren. Dies gilt auch bei der Bürgerbeteiligung. Digitale Plattform müssen erkennen, welche Stellungnahmen von echten Menschen erfasst wurden und wo z.B. Bots im Spiel sind, welche bewusst manipulierte Stellungnahmen ins System einschleusen.
  • Tiefe Fehlertoleranz gegenüber Behörden: Führen öffentliche Verwaltungen Dialogprozesse durch, hat die Bevölkerung oftmals gegenüber den Behörden eine geringe Fehlertoleranz. Der Einsatz von experimentellen Technologien wird dadurch erschwert, was die Entwicklung bei der Nutzung der KI behindert.

Digitale Partizipation als Grundlage für KI-Nutzung

Müssen sich Organisationen, die Ihre Anspruchsgruppen einbeziehen möchten, jetzt unmittelbar auf die KI-gestützte Partizipation umsatteln? Aufgrund der rasanten Entwicklung der Technologien und der zahlreichen Risiken ist dies vermutlich zurzeit nicht sinnvoll und teilweise auch rechtlich nicht möglich.

Öffentliche Verwaltungen oder andere Organisationen können sich aber bereits vorbereiten, indem die aktuell oftmals analogen Dialogprozesse mit digitalen Dialogformaten ergänzen. Denn wenn Stellungnahmen bereits digital durch die Teilnehmenden erfasst werden, können die Rückmeldungen strukturierter ausgewertet und beurteilt werden. Dies ist mit Plattformen wie z. B. der E-Mitwirkung bereits heute möglich und bringt einen grossen Effizienzvorteil mit sich. Die Nutzung von KI-unterstützten Tools ist als Folgeschritt dann einfacher und schneller möglich, da die Daten bereits in digitaler Form vorhanden sind.

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